Nächtliche Schatten

Nächtliche Schatten
Rauminstallation
Hängelampen, Stehlampen, Eintagsfliegen
Maße variabel

Luftpolsterfolie umspannt ineinander verkeilte geometrische Formen ohne Anfang und Ende.

Eintagsfliegen verbringen ihr Larvenstadium über Monate im Wasser, doch nach der letzten Häutung, als erwachsene Tiere, bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit zum Leben. Die Imago, das ausgewachsene Insekt, muss sich binnen weniger Tage – oder wie bei einigen Arten nur innerhalb von Minuten – in die Hochzeitsschwärme der synchron schlüpfenden Artgenossen einfinden, im Flug paaren und unmittelbar danach sterben.
Während nördlich von Budapest Millionen Eintagsfliegen, durch die Straßenlaternen angelockt, von der Donau aufsteigen, verlassen die Leute ihrerseits ihre Wohnungen, um sich vorsichtig und suchend durch den dichten Nebel aus Lebewesen zu tasten. Am Flüsschen Naab in der Oberpfalz hingegen muss die Feuerwehr alljährlich mit Schneeschiebern gegen den frisch verstorbenen Bodenbelag vorgehen, um den Straßenverkehr aufrecht halten zu können. Um zumindest einen Teil des Schneetreibens vom Verkehr fernzuhalten, versucht man an einigen Orten zur Paarungszeit der Insekten nach Einbruch der Dämmerung das Licht umzuleiten. Die Straßenbeleuchtung wird um die Hälfte gedimmt und unter den Brücken montierte Halogenstrahler erzeugen Lichtfelder über dem Fluss, die den Hochzeitstanz der Schwärme ausleuchten.

Bei weit geöffneten Fenstern und einem fast sterilen Arrangement aus weißen, in verschiedenen Höhen hängenden Leuchten und Stehlampen mit weißen Schirmen erreicht ein frisch geschlüpfter Schwarm der Tiere den Galerie-Raum. Minutenlang ist die Luft mit schwirrenden Punkten erfüllt. Die Lampen werden vollständig von ihnen verdunkelt. Tausende Eintagsfliegen, deren Daseinszweck so forciert auf die Arterhaltung ausgerichtet ist, dass sie, kaum ist die letzte Haut der Jugend verkauft, nicht einmal mehr Nahrung aufnehmen, bleiben nach der Vollendung ihres Paarungsrituals auf dem Boden der Galerie zurück. Von den Kreisen der Lampenschirme durchbrochen, bilden sie einen dicken Teppich aus zarten, feinadrigen Flügeln und schmalen Körpern, ein sanft schimmerndes Muster des Flüchtigen und Vergänglichen, dessen individuelle Nutzlosigkeit dem biologisch unmittelbar Nutzbringenden in einer Kulturlandschaft gegenübersteht.