Luftinspektor

Luftinspektor
Installation im öffentlichen Raum
pulverbeschichtetes Stahlrohr, verzinktes Lochblech
235,5 cm x 123 cm x 400 cm

Luftpolsterfolie umspannt ineinander verkeilte geometrische Formen ohne Anfang und Ende.

Luftinspektor ist hierzulande kein Beruf, in den man vermittelt werden könnte. Luftinspektor ist hierzulande nicht einmal eine gängige Vokabel.

Surreal, wie als wäre er einem der benachbarten Großhandelsunternehmen aus dem Sortiment gefallen, steht er da: auf der Seite der Agentur für Arbeit verankert, jedoch der Eingangszone des Jobcenters auf der gegenüberliegenden Straßenseite zugewandt. Die feingliedrige Sprossenleiter mündet kurz unter dem Blätterdach der Kastanie in eine Sitzschale. Wer sich darin niederlässt, richtet den Blick gleichermaßen auf die oberste Etage des Jobcenters als auch auf die Wolkengebilde, die über der scharfen Dachkante des Gebäudes unbeeindruckt vorüberziehen. Dieser Schiedsrichterstuhl ist nicht nur deutlich größer als seine Kollegen am Rande von Tennis- oder Beachvolleyballfeldern, er ist auch in seiner Funktion für höherfliegende Gedanken bestimmt. Die Rückenlehne der Sitzschale, welche die himmelblaue Stahlrohrkonstruktion nach obenhin abschließt, ist in einem Winkel von 145° geneigt.

Etwas weiter östlich von hier – in Teilen Kroatiens, aber auch im rumänischen Raum – existiert tatsächlich diese Vokabel, die ursprünglich als österreichisches Lehnwort der k.u.k. Monarchie entschlüpfte, und entwickelt ihren Charme nicht zuletzt aus ihrer Doppeldeutigkeit. „luftinšpektor“ bezeichnet dort jemanden, dessen Arbeitswillen nicht sonderlich stark ausgeprägt oder gar unauffindbar zu sein scheint, ebenso wie diejenigen, die als verträumte Menschen gern gedanklich in die Lüfte entschweben und mithilfe der eigenen Fantasie jederzeit in der Lage sind, den Boden der Realität zu verlassen. Doch egal, welcher Interpretation man zu folgen geneigt ist: Stünde Luftinspektor als zeitgenössisches Berufsbild zur Debatte, müsste als Grundqualifikation dafür die Fähigkeit vorausgesetzt werden, über die bestehenden Verhältnisse hinaus zu denken.

Ortsmarkierung

Heinrich-Lorenz-Straße 35, 09120 Chemnitz